Handwerk in Hannover ist ein weiterer Teil des Wirtschaftsstandorts. In diesem Artikel erfährst du, wieso das so ist und was es für Bereiche es gibt.
Frische, selbstbewusste Werbekampagnen haben dafür gesorgt, dass junge Menschen das Handwerk wieder stärker wahrnehmen. Die Betriebe stellen sich einerseits der Herausforderung, mit neuen Technologien und Werkstoffen auf der Höhe der Zeit zu bleiben. Andererseits stehen sie zu ihrer Tradition. Die Meisterpflicht garantiert weiterhin handwerkliche Kompetenz, Verantwortung für die Beschäftigten und Engagement in der Ausbildung. Die „Wirtschaftsmacht von nebenan“ ist nah bei den Menschen und tief in der Region verwurzelt. Die rund 11 900 Betriebe im Raum Hannover und mehr als 70 000 Beschäftigten sind eine entscheidende Säule der regionalen Wirtschaft. Zu einem überwiegenden Teil sind sie auf den lokalen Absatzmärkten aktiv und doch gibt es in einzelnen Sparten Spezialisten. Diese haben sich mit ihrer Produktpalette in Deutschland und der ganzen Welt etabliert. Wie kaum ein anderer Wirtschaftsbereich, ist das Handwerk gleichzeitig der Tradition wie der Innovation verpflichtet.
Große Vielfalt im Handwerk in Hannover
Das Handwerk ist unverzichtbar. Pfiffige Kinospots haben dies in jüngerer Zeit eindrucksvoll aufgegriffen. Viele verbinden das Handwerk nach wie vor mit klassischen Berufen wie Tischler*in, Maurer*in, Bäcker*in oder Fleischer*in. Doch das Tätigkeitsspektrum ist weitaus vielfältiger. Der Zweckverband Abfallwirtschaft Region Hannover (aha) bildet allein in drei Handwerksberufen aus. Die Grenzen zur Industrie sind dabei fließend, etwa für die Kraftfahrzeugmechatroniker für Nutzfahrzeuge. „Es geht um die großen Brummis, um Arbeiten, die man nicht zu Hause in der Garage machen kann. Auch ein Reifenwechsel ist da schon was ganz anderes“, verdeutlicht aha- Personalentwicklerin Mona Bovelett. Damit meint sie nicht nur Müllwagen. „In unserer riesigen Werkstatt reparieren wir neben unseren eigenen Maschinen auch Fahrzeuge für die Stadt Hannover und die Feuerwehr.“ Für viele ist das Handwerk eine Alternative zum Studium.
Rat der Handwerkskammer
Die Handwerkskammer weist immer wieder darauf hin, dass niemandem geholfen ist, wenn immer mehr junge Menschen ein Studium anstreben – den Betrieben nicht und den jungen Menschen mit handwerklicher Begabung auch nicht. Ein relativ neues Modell soll die Attraktivität der Berufsbildung erhöhen: das „Berufsabitur“. Es verknüpft den Gesellenabschluss mit der Fachhochschulreife und bietet insbesondere für leistungsstarke Jugendliche interessante Perspektiven im Handwerk. Inga Köllner, Assistentin des Geschäftsführers bei Herden & Köllner Haustechnik in Hannover findet: „Das Berufsabitur reduziert den Stress für die Jugendlichen, weil sie nicht wie früher das Fachabitur in der Abendschule nachholen müssen“, sagt sie. Der schulische Anteil an der Wochenarbeitszeit ist für Berufsabiturient*innen höher, sie werden dafür vom Betrieb freigestellt. Inga Köllner ist sich sicher, dass dies die Abbrecher*innenquote senkt. Viele Handwerksberufe sind inzwischen hochtechnisiert.
Triales Studium
Ein noch junges Modell zur Verzahnung von Handwerk und Hochschule ist das triale Studium. Dabei wird eine Ausbildung im Handwerk mit einer anschließenden Meisterqualifikation und einem wissenschaftlichen Studium kombiniert. Nach nur vier Jahren können der Gesellenbrief, der Meisterbrief und der Bachelor of Arts Handwerksmanagement erreicht werden, bei dem der Schwerpunkt des Studiums im kaufmännisch-betriebswirtschaftlichen Bereich liegt. Seit dem 1. August 2018 gibt es in Hannover einen weiteren, bundesweit einzigartigen, trialen Studiengang: Craft Design. Hier können Interessierte eine duale handwerkliche Ausbildung mit einem akademischen Abschluss im Bereich Gestaltung kombinieren. Der Studiengang eignet sich insbesondere für kreative Ausbildungsberufe wie Tischler*in, Goldschmied*in sowie Raumausstatter*in.
Mehr Ausbildungsplätze im Handwerk in Hannover
2019 war für die Betriebe im Handwerkskammerbezirk Hannover einmal mehr ein gutes Jahr. Dies berichtet der Hauptgeschäftsführer Peter Karst bei der Frühjahrsvollversammlung. Die Zahl der Betriebe sei leicht gestiegen und auch die Zahl der Ausbildungsverhältnisse konnte leicht gesteigert werden. Bedenklich sei jedoch, dass es sich bei den Neugründungen in der Regel um Klein- und Kleinstbetriebe (Soloselbstständige) handele. Das sind Betriebe ohne Angestellte, in denen auch nicht ausgebildet wird. Dass es trotzdem mehr Ausbildungsplätze gebe, „kann man sicher der bundesweiten Imagekampagne, vor allem aber auch den vielfältigen Anstrengungen des Nachwuchsrekrutierungsteams der Handwerkskammer Hannover zuschreiben“, so Karst. Wie dies Ende 2020 aussehen werde, sei wegen der Corona-Krise offen. „Wir sind weit entfernt von jeder Normalität, auch wenn wir langsam den Lehrbetrieb auf dem Campus Handwerk wieder aufnehmen“, sagt der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Hannover.
Neue Kampagne für mehr Ausbildungsplätze
Deshalb wolle man mit einer Kampagne erneut die Werbetrommel für eine Ausbildung im Handwerk rühren. Die duale Ausbildung sei die wahre Stärke des Wirtschaftsstandorts Deutschland, so Karst. „Um dieses kluge Ausbildungssystem beneidet uns die ganze Welt.“ Gerade im Handwerk könne man mit einer qualifizierten Ausbildung auch in Kombination mit einem Studium so schnell Karriere machen wie nirgendwo sonst. Man könne Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen daher eine Ausbildung im Handwerk nur ans Herz legen. „Die Jugendlichen brauchen eine Berufsorientierung, die sie nicht nur in akademische Abschlüsse und schlimmstenfalls Abbrüche drängt, sondern ihnen zu einem passgenauen Anschluss zwischen Schule und Beruf verhilft“, fordert der Hauptgeschäftsführer.
Investition in Bildung
Das Handwerk ist im Gegensatz zu den übrigen Leitbranchen keine thematisch in sich geschlossene Branche, sondern setzt sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Tätigkeiten mit verschiedenen Zielgruppen vom Baugewerbe bis hin zum Gesundheitshandwerk zusammen. Thematische Schwerpunkte liegen in der Region Hannover (inklusive Stadt Hannover) auf den Bereichen Bau und Ausbau, Gesundheit, Körperpflege, Reinigung sowie Metall. Im Vergleich zum Bundesdurchschnitt sind insbesondere die Gewerke aus dem Bereich Gesundheit, Körperpflege und Reinigung mit einem Anteil von gut einem Viertel aller Betriebe stark vertreten.
Azubi Speed Dating
Um Ausbildungsbetriebe und Auszubildende zusammenzubringen, setzt das Handwerk auch auf ungewöhnliche Methoden – zum Beispiel das „Azubi Speed Dating“. Es eignet sich gleichermaßen für junge Menschen, die noch nicht genau wissen, was sie werden wollen, wie für jene, die schon ganz konkret in einem bestimmten Beruf eine Lehrstelle suchen. Sie haben an einem Nachmittag im Februar die Möglichkeit sich bei rund 50 Handwerksbetrieben persönlich vorzustellen. Mit dabei sind beispielsweise Autohäuser, Heizungs- und Sanitärbetriebe, Maler*innen, Bäcker*innen, Maurer*innen, Gebäudereiniger*innen oder Friseursalons.